Der Altenburger Rattenkönig
D
er Altenburger Rattenkönig ist der größte Rattenkönig der Welt und darüber hinaus der einzig als Mumie erhaltene.
Er wurde im thüringischen Buchheim bei Eisenberg gefunden.
Hier
ließ
im
Mai
1828
der
Müller Steinbrück die Mauern seines häuslichen Kamins abreißen.
Dabei fand er unter dem Schutt einen mumifizierten Rattenkönig. Diesen schenkte er am 26. Mai 1828 der Naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg. Nähere Angaben zu den Fundumständen erhielt die Gesellschaft nicht. Der Rattenkönig wurde in einem allseits verklebten Glaskasten in den naturkundlichen Sammlungen aufbewahrt und der Öffentlichkeit präsentiert. 1908 ließ man im Schlosspark zu Altenburg ein Museumsgebäude für die Sammlungen errichten. Das Museum wurde nach dem Protektor und Ehrenpräsidenten der Naturforschenden Gesellschaft, Prinz Moritz (Moritz = lateinisch „mauritius“), Mauritianum benannt.
Hier ist der Rattenkönig auch heute noch in der Schauvitrine ausgestellt.
In Deutschland sind 31 Rattenkönig-Funde eindeutig durch Literaturquellen belegt. Der kleinste Rattenkönig mit drei Tieren wurde 1949 in Berlin gefunden. Der Altenburger Rattenkönig ist der größte Rattenkönig der Welt und darüber hinaus der einzige als Mumie erhalten gebliebene Rattenkönig. Daneben existierten nur noch in den Museen Stuttgart, Göttingen und Hamburg je ein Alkoholpräparat eines Rattenkönigs. Er besteht aus 32 mit den Schwänzen verknoteten Ratten, wobei von manchen Tieren auch die Hinterfüße in den Schwanzknoten einbezogen sind. In der Vergangenheit wurde die Anzahl der Ratten stets mit einer geringeren Stückzahl angegeben. So berichtet Melchior Schlenzig, 1854 in seinem Buch „Die Säugethiere“ über einen Rattenkönig von „…27 Stück ausgewachsene Ratten…“.
100 Jahre später wird in der naturwissenschaftlichen Zeitschrift ORION (7. Jahrgang, Nr. 3, 1952) noch von 30 Tieren berichtet. Erst 1963 entfernte man den Rattenkönig aus dem Glaskasten und nahm eine genaue Zählung und Nummerierung der Ratten vor. Diese ergab 32 Tiere. Davon sind 27 genau zu erkennen, 5 liegen verdeckt bzw. sind nicht mehr vollständig erhalten.
Alle Ratten sind rußgeschwärzt und ohne Fellhaare. Sie haben sehr scharfe Fußkrallen, die nicht abgenutzt sind. Demzufolge müssen die Tiere schon eine längere Zeit verknotet gewesen sein und sich nicht fortbewegt haben. Wovon ernährten sich aber die Ratten? Vermutlich lebten die Tiere von den Nahrungsresten, die andere freibewegliche Ratten im Nest zurückließen. Nicht selten wurden auch Rattenkönige in Zwischenböden von Mühlen oder Getreidespeichern gefunden. Diese fraßen die Getreidekörner, die durch den Fußboden rieselten. Die Ratten des Altenburger Rattenkönigs werden anhand von Schädelmerkmalen den Hausratten (Rattus rattus) zugeordnet.
Der Mythos vom Rattenkönig
Die erste Erwähnung eines Rattenkönigs reicht bis in das Jahr 1610 zurück. Bevor die Menschen jedoch einen Rattenkönig aus biologischer Sicht erklären konnten, rankten sich viele Fabeln um so ein abstoßendes Rattenbündel. Im Mittelalter gab es z.B. die Vorstellung, dass eine Gruppe von Individuen immer von einem König regiert wird. Demzufolge wurde auch einer zusammen agierenden Schar von Ratten ein König zugewiesen, der mit allen Attributen königlicher Würde (Zepter, Krone, Purpurmantel) ausstaffiert wurde. Der Schwanzknoten wurde zum Thron des Königs, auf dem er Platz nimmt wenn er Hof hält.
In der Regel löste aber ein Rattenkönig keineswegs nur Bewunderung bei den Menschen aus, sondern eher Angst und Schrecken. Dies wird sehr eindrucksvoll in dem Epos „Der Rattenfänger von Hameln“ von Julius Wolff geschildert:
„… In des Bürgermeisters Keller
sitzt der Satan in Gestalt
eines ries´gen Rattenknäuels
mit unendlich vielen Beinen,
hundert Köpfen, tausend Schwänzen …“
Der Rattenkönig aus naturwissenschaftlicher Sicht
Die Naturwissenschaft definiert einen Rattenkönig als eine Gruppe von Ratten, deren Schwänze so miteinander verwickelt oder verknotet sind, dass sich die Tiere nicht mehr selbständig aus ihrem Verband lösen können.
Alle bisher gefundenen Rattenkönige wurden von Hausratten (Rattus rattus) gebildet.
Hausratten sind geschickte Kletterer und besiedeln daher in Gebäuden vor allem die oberen Stöcke oder Dachböden. Beim Klettern benutzen sie ihren Schwanz zum Festhalten. Ähnlich dem „Greifschwanz“ einiger Affen reagiert der Schwanz von Hausratten auf den Kontakt mit einem Fremdkörper mit dem Umklammerungsreflex.
Dieses instinktive Verhalten ist vermutlich eine Voraussetzung für das Zustandekommen der Schwanzverknotung eines Rattenkönigs.
Sind die Ratten nun auf einem engen Raum eingeengt, kriechen sie im Nest über- und durcheinander. Dabei kommen die Schwänze miteinander in Kontakt, umklammern und verflechten sich. Unterstützt wird dieser Vorgang vermutlich noch durch klebende Substanzen, wie Kot oder Urin vermischt mit anderen Stoffen (z.B. Lehm, Heu oder Stroh), die die erste Verknüpfung der Schwänze noch inniger werden lassen. Kommt es dann u.U. zu einem plötzlichen Fortstreben der Ratte, zieht sich der erst lose gefügte Knoten noch fester zusammen und bleibt unlösbar.